28. März 2017

MHD von elektronischen Geräten

Das Mindesthaltbarkeitsdatum bei der Lagerung von elektronischen Geräten

Über die Lagerfähigkeit von elektronischen Geräten macht man sich im Allgemeinen keine Gedanken: Üblicherweise sind es eher kürzere Zeiträume, über die Geräte inaktiv zwischengelagert werden. Wird es dann doch einmal notwendig, Geräte über Jahre hinweg ungenutzt zu lagern, stellen sich plötzlich Fragen: Welche Risiken birgt dieser Zeitraum für das Gerät? Und wie können diese minimiert werden? Eine tiefergehende Recherche liefert überraschende Erkenntnisse.

Aus technischer Sicht wird die „Haltbarkeit“ eines elektronischen Komplettgerätes maßgeblich von den bestückten Aluminium-Elektrolytkondensatoren (kurz: Elkos) mitbestimmt. Dies hat die Betrachtung der Haltbarkeit mit gewohnten Berechnungen von Lebenserwartung und Zuverlässigkeit elektronischer Geräte anfänglich noch gemeinsam. Sind bei einer herkömmlichen Zuverlässigkeitsberechnung für den Dauerbetrieb vor allem die Betriebstemperaturen, die nach und nach eine Austrocknung des Elkos und damit einen irreversiblen Kapazitätsverlust zur Folge haben, ausschlaggebend, müssen im passiven Lagerfall gänzlich andere Effekte berücksichtigt werden, um die Haltbarkeit des Gerätes zu bestimmen. Einige wichtige Punkte hierfür finden sich nachfolgend aufgeführt:

a)    Lagertemperatur und Feuchte
b)    Anzahl der Klimaschwankungen und deren Heftigkeit
c)    Qualität der Elko-Dichtungen am unteren Ende des Bechers (Stabilität bzw. Porösität der Gummimischung von Dichtungen)
d)    Art und chemische Zusammensetzung der in den Elkos verwandten Elektrolyte
e)    Umgang mit Formierungseffekten der Elkos

Ein besonders nennenswerter Effekt sind Degenerationen der inneren Oxidschichten an der anodischen Oberfläche, die das eigentliche Dielektrikum der Elkos bilden. Bei bestimmten Elektrolyten kommt es hier zu einem reversiblen chemischen Effekt durch Einlagerung von Ionen in die Oxidstruktur und einem damit verbundenem Anstieg der DC-Restströme durch den Elko. Aufgrund unterschiedlicher verwendeter Elektrolyte gibt es bei Hochvolt-Elkos (z.B. auf Glykol basierende Elektrolyte) eine größere Gefährdung als bei Niederspannungselkos. Elektrolytkondensatoren für kleinere Spannungen gelten gemeinhin als stabil und sind von diesen Reststromeffekten nicht nennenswert in der gleichen Form betroffen.

Durch ein Anlegen von Spannung und dem damit verbundenen Stromfluss lässt sich bei einem lange gelagerten Elko diese Oxidschicht aufgrund des fließenden Gleichstroms wieder aufbauen und nach kurzer Zeit sind die Elkos wieder einsetzbar. Lediglich der anfängliche Reststrom (Leckstrom) kann relativ hohe Werte annehmen und den Elko nachhaltig schädigen, weshalb ein begrenzter Gradient des Spannungsanstiegs oder eine direkte Limitierung des Leckstroms mittels Vorwiderstand empfohlen wird. Je nach Größe des gewählten Vorwiderstands kann der Zeitraum für eine Neuformierung der Oxidschicht mehr oder weniger Zeit benötigen. Ein weiter fallender Reststrom deutet auf einen solchen Prozess hin.

Auch die Hersteller weisen in ihren Datenblättern zum Teil auf die oben genannten Effekte hin und beschreiben diese. Nachfolgend als Beispiel ein originales Zitat aus einem Elko-Datenblatt eines großen Herstellers zum Thema Langzeitlagerung der Komponente:

“ Long Term Storage
Leakage current of a capacitor increases with long storage times. The aluminum oxide film deteriorates as a function of temperature and time. If used without reconditioning, an abnormally high current will be required to restore the oxide film. This current surge could cause the circuit or the capacitor to fail.

After one year, a capacitor should be reconditioned by applying rated voltage in series with a 1000Ω, current limiting resistor for a time period of 30 minutes. If the expired date of products date code is over eighteen months, the products should be return to confirmation.“

Die hier verlangten Maßnahmen sind naturgemäß extrem konservativ. Sowohl bei sich langsam wechselnden Lagerbeständen von Elkos, als auch bei kompletten Geräten ist es kaum möglich, diese umzusetzen, was auch erklärt, warum hier niemand eine Garantie übernehmen will und vermutlich auch nicht kann.

In einem kompletten Gerät gibt es neben den Elkos außerdem noch viele weitere Komponenten mit eigenen Abhängigkeiten bei der Lebenserwartung. Diese sind aber im Vergleich zu den betrachteten Effekten bei den Elkos viel langfristiger und brauchen daher nicht weiter betrachtet zu werden, sofern man die Geräte nicht über Dekaden lagern will.
Bei der Lagerung fertig produzierter Neugeräte besteht das Problem mit den Elkos nicht: Neue Baugruppen werden bei der ersten Inbetriebnahme üblicherweise leistungsbegrenzt hochgefahren, was den Elkos als positiven Nebeneffekt die Möglichkeit gibt, die potenziell verlorenen Oxidschichten kontrolliert wieder neu aufzubauen.

Typische Mindestzeiten der Lagerung unter Einhaltung der nominellen Restströme bei T<40°C werden von Elko-Herstellern kaum angegeben. Eine konstante Absenkung der Lagertemperatur auf ca. 25°C verlängert aber die möglichen Lagerzeiträume wesentlich.

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